Nach exakt fünfzig Jahren wieder in Braunschweig
Uschi Glas stellte am 13. März 2024 ihre Biografie in der Buchhandlung Graff vor
Seit Mitte der 1960er Jahre zählt sie zu den beliebtesten und erfolgreichsten Schauspielerinnen Deutschlands. Ihren ersten Film Der unheimliche Mönch dreht sie 1965 in Hameln. 1970 führt sie ihr Beruf erneut in unsere Region, sie glänzt als Eva in einer Neuverfilmung der Feuerzangenbowle, die in Wolfenbüttel entsteht. Seitdem hat sie in einer Vielzahl von Film-, Fernseh- und Theaterproduktionen ihre Vielseitigkeit unter Beweis gestellt. Sozial engagiert sie sich immer. 2009 gründet sie den Verein Brotzeit eV, der sich bundesweit darum kümmert, dass Kinder aus sozialschwachen Familien vor dem Schulunterricht ein Frühstück erhalten. Spätestens seit den Kinohits Fack ju Göthe 1 – 3 ist sie auch beim jüngeren Publikum bekannt. Jetzt, zu ihrem achtzigsten Geburtstag, stellt sie ihre Biografie vor Ein Schätzchen war ich nie – Uschi Glas!
Uschi Glas im Gespräch mit Ann Claire Richter
Als der Vorverkauf für die Buchpräsentation in der Buchhandlung Graff im Dezember startete waren die 199 Karten schnell vergriffen. Die Nachfrage verwundert nicht, ist das Buch doch sofort auf Platz 5 in die Spiegel-Bestsellerliste eingestiegen. Eine entspannt wirkende Uschi Glas begrüßt das Publikum und stellt fest, dass überwiegend Frauen heute Abend vertreten sind (Zitat: Auch Männer dürfen mein Buch lesen). Der Künstlerin zur Seite steht die Moderatorin Ann Claire Richter Redakteurin der Braunschweiger Zeitung). Schnell springt der Funke zum Publikum über und entwickelt sich zu einer launigen und informativen Plauderei. Gleich zu Beginn der Veranstaltung hält Richter eine Überraschung für die Schauspielerin bereit indem sie fragt, was Uschi Glas am 13. März 1974 gemacht hat. Die Künstlerin reagiert mit einem Achselzucken. Dann präsentiert die Moderatorin ein Theaterprogramm von dem besagten Abend. Auf den Tag genau vor 50 Jahren stand sie im Staatstheater Braunschweig in dem Stück Vater einer Tochter (mit Karl Schönböck) auf der Bühne. Großes Kompliment, Frau Richter! Sie sind bestens vorbereitet.
Hans-Peter Schmidt-Treptow war schon 1974 Fan von Uschi Glas und war damals in der Vorstellung, jetzt überreichte er Uschi Glas das damalige Programmheft
Der Abend unterscheidet sich ganz wesentlich von typischen Lesungen, bei denen oft zu viel vorgetragen wird. Ann Claire Richter spielt Uschi Glas die Bälle gekonnt zu, fragt nach Kindheit, beruflichen Anfängen, sozialem Engagement und bittet die Schauspielerin dann immer wieder einige Passagen aus ihrem Buch zu lesen. Gerade in den Plaudereien der beiden Frauen wird klar, was für eine außergewöhnliche Persönlichkeit diese Uschi Glas ist. Sie hat immer ganz klar Position bezogen politisch, sozial, privat und auch beruflich, kämpfte Ende der 1960er Jahre gegen ein politisches Image. Dadurch blieben Rollenangebote aus, weil sie Willy Brandt ihre Zustimmung verweigerte, obwohl sie seiner Öffnung Osteuropas positiv gegenüberstand. Der typischen 1968er-Bewegung war das suspekt. Ein großes Thema an diesem Abend war der Film Zur Sache Schätzchen. Diese quasi Low-Budget-Produktion wurde zum Kassenknüller und zog über 6 Millionen Menschen in die Kinos.
Die Biografie erschienen im Mosaik Verlag (Copyright Dieter Mayr)
Ihre Nicht-mit-dem-Strom-schwimmende-Persönlichkeit hat sich fast immer ausgezahlt. Als die Kinoerfolge Ende der 1970er Jahre weniger wurden, wechselte sie das Genre, schrieb sogar selbst Drehbücher. Wer erinnert sich nicht an Serien wie Zwei Münchner in Hamburg oder Anna-Maria, eine Frau geht ihren Weg. Inzwischen ist ihre Popularität generationsübergreifend. Seit Fack ju Göthe ist sie dem jungen Publikum auch wieder ein Begriff. Ihr Verein Brotzeit eV unterstützt auch die Grundschule Altmühlstraße in Braunschweig.
Copyright Dieter Mayr
Man wünscht sich mehr solcher starken Charaktere in der Öffentlichkeit, die sagen, was sie denken und dafür eintreten.
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Ganz ohne Verklärung
Thomas Schulte schrieb die heiteren Kurzgeschichten „Auf der Terrasse“
Es gibt sie nach wie vor diese skurrilen Typen, die einem tagtäglich begegnen, im Kollegen- oder Freundeskreis, aber überdies auch in der Verwandtschaft. Der Autor Thomas Schulte hat, überaus feinfühlig, Erinnerungen zu Papier gebracht, mit denen sich der Leser identifiziert, ohne jemanden zu glorifizieren oder wegen irgendwelcher Schrullen ins Abseits zu stellen.
Beim Lesen der acht Kurzgeschichten werden sofort Kindheitserlebnisse wach. Einen leicht kauzigen Großvater, eine ständig bedachte Oma oder manchmal einen etwas grotesken Mitschüler oder später Kommilitonen kann wohl jeder in seiner Biografie vorweisen. Oft bleiben diese Menschen jahrelang im Hintergrund, sind aber immer im Herzen. Das Erleben dieses Buches bringt einem mehr ein Déjà-vu. Besonders die Geschichte „Willi“ ist überaus humorig und spannend. Eine nachmittägliche Kaffee-Gesellschaft wartet auf den Großvater, der kurz die Runde verlässt und aus einem kuriosen Grund verspätet zurückkommt. In allen Erzählungen beschreibt Schulte, neben den Personen, sehr treffend und präzise die Atmosphäre, achtet auf Gerüche (Zitat: „es roch im Treppenhaus immer nach Eierlikör“), geht sehr ins Detail, ohne den Effekt, dass, wie bei Thomas Mann oft dadurch seitenweise gar nichts passiert. „Grauer Burgunder“ unterscheidet sich etwas von den anderen sieben Geschichten. Ohne den Inhalt, der auf Kosten der Spannung geht, zu erzählen, scheint dieses Kapitel dem Leser nachhaltig in Erinnerung geblieben zu sein, da er immer wieder nach dem Verbleib eines Gegenstandes fragt, der hier nicht verraten wird.
Selbst dem Literaturkritiker Hellmut Karasek gefielen die Erinnerungen von Thomas Schulte, was das Buch fast adelt. Ich bezeichne die Geschichten als Novellen, da es wirkliche Erzählungen sind, die einzelne Ereignisse beschreiben und deren geradliniger Handlungsablauf zum Ziel führt.
Hans-Peter Schmidt-Treptow
Erschienen: Engelsdorfer Verlag ISBN 978-3-96008-920-9 EUR 9,90
Weiterhin erschienen:
"Zwei Winter" - Erzählung
Inhalt:
Sie waren alle erst seit acht Wochen Soldat, waren durch den Oktober und November gekrochen und gelaufen, hatten gelernt, das Gewehr mit verbundenen Augen auseinanderzunehmen und wieder zusammenzusetzen. Es war die letzte Novembernacht vor dem 1. Advent und niemand hatte verstanden, warum gerade sie die Standortwache übernehmen mussten.Gropius leistet in den 60er-Jahren seinen Wehrdienst ab. Er passt nicht ins Bild, das man sich von Soldaten macht, ist kein stumpfer Befehlsempfänger, der nichts hinterfragt. Ihm kommt es nicht in den Sinn, seine Zeit einfach abzureißen oder sogar zu verlängern, um einige Jahre gut versorgt zu sein und dabei eine ruhige Kugel zu schieben. In Gesprächen mit den Kameraden, bei Gefechtslärm im Manöver, bei der Verkostung des Erdbeerkompotts der Frau des Unteroffiziers betrachtet er sich und die Welt und zieht seine persönlichen Schlüsse. Die Reflektionen, Situationsschilderungen und Dialoge übermitteln subtile Eindrücke aus dem militärischen Leben. Manche der aufgeworfenen Fragen reichen in die Jetztzeit hinein und berühren die Diskussion um die Abschaffung der Wehrpflicht.
Erschienen: Edition Fischer ISBN 978-3-86455-999-0 EUR 9,90
Autor
Thomas Schulte, 1946 in Einbeck geboren, begann sein Studium in Göttingen. Nach seinem Wehrdienst studierte er in Braunschweig Deutsch und Kunst für den Schuldienst sowie Philosophie und Kunstgeschichte. Mehr als 17 Jahre war er Realschulrektor in Einbeck. Der Autor ist verheiratet und hat eine Tochter.
Quelle: Einbecker Morgenpost