Star nur von Berufs wegen

Senta Berger im Astor Kino im Gespräch mit Daniel Kothenschulte im Rahmen des Braunschweig International Filmfestival

Zierlich und attraktiv betritt sie das Foyer des Astors, sofort geht ein Raunen durch das wartende Publikum. Für jeden der sie anspricht wegen eines Fotos oder Autogramms hat sie ein Lächeln und ein paar freundliche Worte. Diese Frau umgibt eine Aura, die raumfüllend ist, ohne großen Starmythos – Senta Berger!

Die Gewinnerin der diesjährigen Europa beim Braunschweig International Filmfest sitzt kurz darauf dem Journalisten Daniel Kothenschulte im Kinosaal gegenüber. Das ausverkaufte Forum freut sich auf einen neunzigminütigen Talk, der aber zunächst etwas stockend beginnt, bis die Protagonistin ihrem Gegenüber ins Wort fällt und meint: „Können wir jetzt bitte mal anfangen!“ Kothenschulte ist zweifelsohne fachlich gut vorbereitet, kann aber nicht aus seiner Rolle als Bewunderer und Fan herausschlüpfen, wirkt sehr unsicher. Diese Art von Interview hat wenig mit Professionalität zu tun. Es ist zu emotional, zu sehr ins Detail gehend mit viel zu langen Filmausschnitten. Die Dialoge über ihre Anfänge als Schauspielerin im Theater in der Josefstadt in Wien, die sich daran anschließende Filmkarriere im In- und Ausland nehmen viel Zeit in Anspruch. Immer wieder verliert sich der Talkmaster in Einzelheiten über Filmsequenzen.

Schon im Foyer wurde Senta Berger von Fans begrüßt / Cópyright HPST

Es gibt einige emotionale Momente, die von Senta Berger ausgelöst werden. Ihr Gegenüber befragt sie nach ihren Erfahrungen mit O. W. Fischer, mit dem sie den Film Es muss nicht immer Kaviar sein drehte. Bekanntlich wurde er damals übergriffig. Ihre Antwort, sich dazu nicht zu äußern, wird vom Publikum mit Beifall belohnt. Sie ist  ein Souverän, eine Frau die nicht einfach nur redet, sondern etwas zu sagen hat. Und die Schauspielerin ist sich ihres Könnens bewusst, ist in erster Linie Akteurin, der damit verbundene Starstatus scheint ihr nicht wichtig. Als Kothenschulte ihre amerikanische Filmkarriere anspricht und bewundernd hervorhebt, dass auf dem Filmplakat „Kirk Douglas and Senta Berger in Cast a Giant Shadow“ stand und dass das nicht einmal Elke Sommer geschafft hätte, kontert die Künstlerin: „Die ist auch keine Schauspielerin.“ Das kommt nicht taktlos über die Rampe, sondern wertschätzend sich selbst und ihren professionellen Kollegen gegenüber.

Die Zeit an diesem Nachmittag vergeht wie im Flug. Es werden weitere Stationen eines Lebens gestreift: 2003 – 2010 Präsidentin der Deutschen Filmakademie, dreimalige Buhlschaft (neben Curd Jürgens und Maximilian Schell) in Jedermann, immer wieder aufkommende Sorgen, wenn das eigene Haus mit Hypotheken belastet wurde, weil eine Filmproduktion immense Summen verschlingt. Senta Berger und ihr Mann Dr. Michael Verhoeven gründeten bekanntlich die Sentana Filmproduktionsgesellschaft, die viele erfolgreiche Streifen wie Die weiße Rose oder Das schreckliche Mädchen (war für den Oscar nominiert) entstehen ließ. Das Ehepaar Verhoeven war auch Inhaber des Kiez-Kinos Toni in Berlin-Weißensee. Bei diesem Thema kamen Gefühle auf. Der Interviewer warf ein, dass kleine Kinos immerhin mit bis zu Euro 25.000,00 gefördert werden, worauf Berger fast trotzig antwortete: „Was ist das?“ Kothenschulte schweigt und erhält darauf ein lautes „Nichts!“ von seiner Gesprächspartnerin. Mit einer Prognose wie sich die Filmlandschaft entwickeln wird in den nächsten Jahren endet die Veranstaltung. Senta Berger äußert sich zögerlich: „Ich verstehe die Frage nicht, möchte sie auch eigentlich nicht verstehen.“ Natürlich wünscht sie sich mehr finanzielle Unterstützung für ihre Branche aber wirklich optimistisch ist ihr Statement nicht.

Leider kamen bei diesem Event einige Themen nicht zur Sprache. Natürlich hätte sich das Publikum gefreut über ein paar Anekdoten aus den Fernsehserien Kir Royal oder Die schnelle Gerdi. Auch die Wahlkampfunterstützung von Willy Brandt blieb unerwähnt ebenso wie fast alle Produktionen der letzten Jahre, in denen sie mitwirkte. Bedauerlich, denn diese Frau lebt nicht im Gestern sondern ist präsent im Hier und Heute.

Als sie nach der Bühnenpräsentation von einem Fan gefragt wurde, wie ihr der Talk gefallen habe antwortete sie diplomatisch, dass man sich die Bälle zugespielt hätte.

Runde fünf Stunden später wurde sie im Staatstheater mit der Europa ausgezeichnet und vom Publikum frenetisch gefeiert. Die Laudatio hielt ihre Nichte Stella Adorf, die ebenfalls Schauspielerin ist. Ohne auf die Tränendrüse zu drücken, hielt Adorf eine Rede, die ihres Gleichen sucht. Mit jedem Wort spürte man die Verbundenheit zwischen Nichte und Tante. Wirklich ergriffen betrat die Preisträgerin die Bühne und nahm die Trophäe dankend entgegen.

Dankesrede auf der Bühne / Copyright Siegfried Nickel

 

Den Verantwortlichen des Filmfests sei gedankt, wieder einmal einen wirklichen Star nach Braunschweig geholt zu haben.

 

 

 

 

 

 


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